Es gibt unzählige Definitionsversuche und Beschreibungen, was Web2.0 denn sein soll bzw. könnte. Viele versuchen sich an dem Buzzword, andere kritisieren ihn heftig, Ableger wie E-Learning2.0 bilden sich – inspiriert von der Diskussion um den Begriff – aus.
Jeder Begriff steht nicht nur für sich, sondern in einem spezifischen Diskurszusammenhang. Nur mit dem Hintergrund kann der Begriff „richtig“ verstanden werden.
Ich denke, dass es gar nicht notwendig ist, Web2.0 zu definieren. Ich möchte nicht den vielen Versuchen einen weiteren unvollkommenen hinzufügen, sondern versuchen, einige Leitplanken aufzuzeigen, wo Prinzipien des Web2.0 für die Umweltinformatik relevant sein können.
Im Anschluss an den letzten Beitrag liegt es nahe, den User Generated Content noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Mit dem Nutzen des Wissens der User können implizite Daten (in Analogie zum impliziten/expliziten Wissen) zugänglich gemacht werden. Damit ist gemeint, dass Informationen, die die User normalerweise für trivial empfinden, weil sie in ihrer Domäne liegen durch geeignete Anreizumgebungen trotzdem einsgespiesen werden und damit dem Gesamtsystem und den anderen Nutzern zur Verfügung stehen. Auch Informationen, die den Nutzern nicht beständig bewusst sind, durch entsprechende Anreize vom System oder anderen Nutzern aber benannt werden können, gehören dazu.
Dass viele Nutzer etwas beisteuern zeigt sich auch im Bereich des partizipativen GIS (PGIS). Die openstreetmap wächst und wächst.
Mittels Folksonomy können die Daten mit Metatags versehen werden, damit sie auch für eine semantische Suche zur Verfügung stehen. Hier ist allerdings eine Verknüpfung eines Bottom-up-Ansatzes (Folksonomy) mit einem Top-Down-Ansatz (Verschlagwortung von „Schlagwortprofis“) anzustreben, um hier die besten Ergebnisse zu erzielen (vgl. Gruber 2005).
User Generated Content gibt es nicht nur im Internet, auch in abgeschlossenen Unternehmensnetzwerken können die Vorteile genutzt werden. Bestehende ERP-Systeme wie bspw. SAP R/3 funktionieren zwar auch nur, wenn jeder Daten mit einbringt, allerdings ist dort vorher genau definiert, wer welche Daten einzubringen hat.
Die Maßgabe, den Nutzer schon frühzeitig in die Erstellung des Softwaretools mit einzubeziehen kann in der UI auch stärker genutzt werden. Dies geht mit Forderungen der Informatik einher, partizipativ zu entwickeln (z.b. Christane Floyd mit ihrem STEPS-Konzept).
Damit werden die UI-Tools auch zur „perpetual beta„, die sich wandelnden Nutzerinteressen und -bedürfnissen anpassen kann. Dazu sind moderne und flexible Programmierparadigmen notwendig.
Der „long tail“ kann dadurch genutzt werden, dass es dem Nutzer möglich ist, eigene Datenkategorien aufzumachen und Daten einzuspeisen, an die die Programmiererin nicht gedacht hat. Damit kommt eine Menge mehr an Daten zusammen, die auch für „Mainstreamanfragen“ genutzt werden können.
Kooperative Planungsprozesse erfordern Umgebungen, die es dem Nutzer ermöglichen in das Geschehen einzugreifen und Dinge verändern zu können. Tools wie Wikis, Foren oder Whiteboards können hierzu genutzt werden.
Kooperatives Modellieren ist ein weiterer Punkt, den die UI aus der Bewegung des Web2.0 lernen könnte. Die UI könnte Werkzeuge bereitstellen, die es Nutzern sehr einfach und intuitiv ermöglicht, eigene Modellierungen durchzuführen bzw. in bestehende, von anderen begonnene Modellierungen und Simulationen Variablen einzubringen, die relevant sind, vom Ersteller aber nicht beachtet wurden. Auf diese Weise kann eine interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden und disziplinübergreifende Modelle mit weniger blinden Flecken erstellt werden. (Es sei denn, es sind Disziplinen bzw. Falken bestimmter Forschungsrichtungen dabei, die eine Modellierung generell als unmöglich ablehnen 😉 )
Ein weiteres spannendes Feld für die UI könnte das Erstellen von Mashups sein, die bei der Verwirklichung der Ziele der UI unterstützend wirken können. Hier könnte für den Kommunikations- und Bildungsauftrag der UI einiges getan werden.
Problematisch ist allerdings, dass viele der vorhandenen Daten fragmentiert in irgendwelchen („offiziellen“) Datenbanken vorliegen und es keine APIs gibt, über die auf diese Datenbanken zugegriffen werden kann. Aufgabe der UI ist es also auch zu versuchen, diese Datenbanken zu öffnen und APIs bereit zu stellen, damit sie für neue Mashups zur Verfügung stehen.
Zusammenfassend möchte ich mit einem sehr treffenden Zitat von Tim O’Reilly aus dem Film Web2.0 (27:09) schließen, das auch für die Umweltinformatik gesehen werden kann:
Web2.0 is not about software, it is about Data